Auf der Welt Zuhause sein

Was bedeutet Zuhause sein? Wir haben unsere Wohnung aufgegeben und reisen für ca. ein Jahr durch die Welt. Wir haben also kein Zuhause mehr und wir fragen uns oft, was Zuhause bedeutet. Brauchen wir eine eigene Wohnung, um uns Zuhause zu fühlen?

Eigentlich sind wir Menschen alle auf unserer Mutter Erde gleichermaßen Zuhause. Eine eigene Wohnung mit einer abschließbaren Tür gibt uns Sicherheit, Schutz und Geborgenheit, aber ist das wirklich Zuhause sein? Anders ausgedrückt, wir haben einen deutschen Pass und damit haben wir einen Ort, ein Land, an dem wir uns unbefristet aufhalten dürfen. Wir dürfen am gesellschaftlichen Leben teilnehmen und genießen den Schutz unseres Sozialsystems. Ist Deutschland deswegen unser Zuhause?

Einreisen wie ein Schwerverbrecher

In vielen Ländern dürfen wir uns nur 30 Tage aufhalten und das auch nur, wenn wir ein Rückflugticket nachweisen können oder über genügend Geldmittel verfügen. In manchen Ländern erfolgt die Einreise sehr unkompliziert und in manchen Ländern kommen wir uns vor als müssten wir beweisen, dass wir keine Schwerverbrecher sind. Bis zu diesem Beweis werden wir vorsorglich aber schon mal so behandelt als ob. Dort fühlen wir uns nicht willkommen und auch nicht Zuhause.

Es befremdet mich, so zu reisen. Ich fühle mich ein wenig entwurzelt oder heimatlos. Wenn ich bisher auf Reisen war, dann für ein paar Wochen und ich wusste, wie mein Leben Zuhause in etwa weiter gehen wird und wo ich wohnen werde. Jetzt weiß ich das nicht. Auch wenn ich noch Familie und Freunde habe und die Gemeinschaft der Lichtbewusstseinsakademie in Düsseldorf, es wartet keine bekannte Wohnung und Umfeld auf mich. Ich bin dort, wo ich mich gerade aufhalte Zuhause. Nicht jeder Ort entspricht dabei meinen Wünschen oder erfüllt die Voraussetzungen, damit ich mich wohlfühlen kann.

Urlaub ist anders

Wir treffen viele Reisende in unserer aktuellen Unterkunft in Sri Lanka, die total begeistert sind von der Unterkunft, dem Frühstück und dem Land. Es muss ein großer Unterschied sein, ob man hier für 2-3 Wochen Urlaub macht und danach wieder in sein altes Leben zurückkehrt oder ob man hier lebt bzw. an immer neuen und anderen Orten lebt. Ich weiß, dass ich die nächsten Monate in tropischen Gefilden unterwegs sein werde und ich muss mich an die Hitze und die hohe Luftfeuchtigkeit gewöhnen. Ich schlafe in einem viel zu kurzen und schmalen Bett und ich finde das Frühstück zwar lecker, aber nicht nahrhaft. Ich verstehe nicht, warum ich immer das gesamte Bad unter Wasser setzen muss, wenn ich duschen möchte. Mir ist es hier auf der Insel auch zu eng. Die Straßen sind eng und voll, es wird wild gehupt – nicht aggressiv, aber laut – es stinkt, es ist drückend, der Strand ist schmal und dicht bebaut. Überall liegt Abfall herum und durch die hohe Feuchtigkeit modert alles so vor sich hin. Ich brauche Weite, die Weite und Ruhe Norwegens z.B..

Ich wollte auf der Reise im Warmen sein, gemütlich ein paar Wochen in einem Land und an einem Ort sein, lesen und schreiben, leckeres Essen genießen, auf das Meer schauen und die Ruhe genießen. Ich wollte jeden Tag morgens und abends LichtYoga machen und meditieren. Stattdessen holt mich auch hier der Alltag ein, ich gehe Wasser und Lebensmittel einkaufen, wasche Wäsche, suche neue Unterkünfte oder Flüge und stelle in fast jeder Unterkunft fest, dass es das noch nicht ist. Entweder fehlt ein ruhiges Fleckchen Rasen zum LichtYoga machen oder tausend andere Dinge im Außen. Und auch wenn ich weiß, dass ich die Ruhe nur in mir finden kann, lasse ich mich ablenken von den tausend anderen Dingen. Wenn es so oder so wäre, dann könnte ich so sein, wie ich wollte, denke ich oft.

Vorstellungen vom „richtigen“ Reisen oder..

Ich hänge noch in Vorstellungen fest und in Zwängen, wie ein lichtbewusster Backpacker zu reisen hat. Eigentlich bin ich überhaupt kein typischer Backpacker, der mit seinem Rucksack durch die Welt tingelt – jeden Tag wo anders, ständig in Kontakt mit anderen Reisenden und im Austausch, wo man wie am besten und günstigsten hinkommt, was es alles zu besichtigen gibt oder sich auch spontan zu einer Reisegruppe formierend. Ich habe meine Urlaube und Reisen bisher immer sehr akribisch geplant und meist auch schon die Unterkünfte gebucht gehabt. Ich weiß gerne schon im Vorfeld, wie meine neue Unterkunft aussehen wird, ob das Bett groß genug ist und ob es genügend akzeptable Restaurants gibt. Schlafen und Essen sind zentrale Dinge für mich – alles andere ist nicht so wichtig, wenn jedoch die beiden Dinge nicht gegeben sind, dann wird mein Leben anstrengend für mich.

Auch hier frage ich mich, ob ich dabei in falschen Vorstellungen und Konditionierungen lebe. Andere Menschen fühlen sich hier sehr wohl, nur ich hadere an den Betten, dem Klima und bisweilen an den sehr westlichen Essenspreisen.

..andere Bedürfnisse

Dann frage ich mich, ob ich einfach andere Bedürfnisse habe, ob es mich einfach so sehr stört und mich unwohl und unwillkommen fühlen lässt, wenn hier alles auf Geldverdienen ausgerichtet ist. Ich habe den Eindruck, dass die wenigsten Hoteliers oder Restaurantbetreiber ihr Geschäft betreiben, weil sie sich danach sehnen, sondern eher eine Möglichkeit gesucht haben, Geld zu verdienen. Ich bemerke das und spüre ein Unwohlsein dabei, weil die Dinge nicht in Liebe und Hingabe gemacht werden (so wie auf dem Foto rechts, die Aufkleber hätte die Besitzerin Zuhause sicherlich entfernt). Der „normale“ Tourist ist das gewöhnt und bemerkt es wahrscheinlich auch gar nicht, weil er selbst so unterwegs ist. Er lässt sich ein paar Tage unterhalten, genießt die Abwechslung und Ablenkung von seinem Alltag und dafür bezahlt er den geforderten Preis. Ich mag mich nicht ablenken lassen, für mich muss keine Party am Strand sein und ich habe ein überschaubares Budget, welches ich im Auge behalten muss, wenn ich wenigstens ein Jahr reisen möchte.

Urlaub gleich Party?

Ich habe den Eindruck, dass der „normale“ Tourist im Urlaub aus seinem Alltag ausbricht und für ihn wahres Leben Party feiern ist. Zuhause kommt er aufgrund seines Jobs und Alltags nicht dazu, aber im Urlaub kann er endlich feiern – feiern mit Musik, Alkohol und (Fleisch)Essen. Da kommt er mal so richtig aus sich heraus. Dabei wäre es doch Mal wichtig, in sich zu gehen und bei sich anzukommen.

Vielleicht ist es auch das, was mich auf der bisherigen Reise unwohl fühlen lässt. Ich muss nicht in 5 Tagen die ganze Insel gesehen haben und jede Sehenswürdigkeit abgehakt haben.

Begegnungen mit einheimischen Menschen

Oft kommen wir mit Menschen nur deswegen ins Gespräch, weil sie uns ein Essen, eine Unterkunft, eine Taxifahrt oder was auch immer verkaufen wollen oder eine Spende für irgendetwas haben wollen. Die erste Frage ist oft, woher wir kommen und wenn wir antworten aus Deutschland, dann geht die Schublade „viel Geld“ auf. Gestern trafen wir eine Frau auf der Straße, wir grüßten uns freundlich und im gleichen Moment hat sie die Hand geöffnet und ausgestreckt. Nein, ich habe ihr kein Geld gegeben.

Natürlich denken die Menschen hier und in den meisten Teilen der Welt, wir Touristen aus dem Westen haben viel Geld und sie versuchen, etwas abzubekommen. So bekommen wir viele Geschichten erzählt von der großen Familie und den Kindern, die zur Schule oder zum Studium gehen und viel Geld kosten. Natürlich bekommen wir die Geschichten nicht erzählt, weil wir Freunde sind, sondern damit wir ein höheres Trinkgeld geben.

Das nervt und stört mich schon. Auf Bali (vor Jahren) war das noch schlimmer und aggressiver als hier. Ich kann das nachvollziehen und es zeigt, wie dringend notwendig eine gerechtere Verteilung des Wohlstands und der Ressourcen auf dieser Erde ist.

Die Menschen wollen nur ihren Anteil ab haben. Die einen bleiben dabei freundlich, die anderen werden fordernder.

So wird es schwierig, als westlicher (reicher) Reisender wirklich in Kontakt mit den Menschen zu kommen und das wirkliche Leben hier kennenzulernen. Ich fühle mich oft bedrängt und manches Mal auch bedroht, so dass ich schnellstmöglich aus der Begegnung heraus möchte oder erst gar nicht in ein Gespräch verwickelt werden möchte. Dabei stoße ich dann wieder auf eine Vorstellung und Erwartung an mich selbst, die ich nicht erfülle. Ich möchte allen Menschen offen begegnen und ihnen wenigstens einen Segen mit geben. Oft meide ich aber Begegnungen mit Menschen, die nur mein Geld wollen. Es ist schade, dass wir so um eine aufrichtige Begegnung gebracht werden. Für mich habe ich noch keine Lösung gefunden. Menschen, die freundlich sind und mit einem Lächeln nach Geld fragen, mit denen komme ich in ein Gespräch und oft gehen wir mit einem Handschlag auseinander. Aggressive Bettler oder aufdringliche Verkäufer sind dafür nicht offen und ich finde (noch) keinen Ansatz, sie von ihrem einzigen Ziel, mir möglichst viel Geld aus der Tasche zu ziehen, zum Wesentlichen zu lenken. Oft tauchen sie auch in Gruppen auf, was die Situation nicht leichter macht.

Einmal habe ich einem netten Parkplatzeinweiser in Südafrika statt weiterem Geld für Wasser (nach dem für Brot) einen Segen gegeben. Er hat ihn angenommen und ging glücklich von dannen. Das sind Momente, in denen ich spüre, wir sind alle eins.

In den anderen Momenten, ob von Bettlern angesprochen oder vom Immigrationofficer durchleuchtet, da fühle ich mich unwillkommen in meinem neuen Zuhause, der Welt.

Es wird Zeit, dass wir die Ressourcen von Mutter Erde teilen, sinnvoll und nachhaltig einsetzen zum Wohle aller. Es wird Zeit, dass wir die künstlichen Landesgrenzen aufheben und uns in Liebe und mit Vertrauen begegnen.

Ich wirke jeden Tag daran und auch wenn es nicht immer klappt und ich in Ängste abrutsche. Ich mache weiter und bleibe in Liebe und Annahme.