Vernünftig sein muss nicht sinnvoll sein

Die Vernunft gilt als höchster Ethos im menschlichen Handeln. Doch ist sie wirklich das Maß aller Entscheidungskriterien? Nein es fehlen noch die anderen 50% aus dem Herzen, aus dem Fühlen.

Wie oft im Leben haben wir schon gehört, vernünftig sein zu sollen? Als Kind schon sollten wir vernünftig sein und sind dann eben nicht mit beiden Füßen in die Pfütze gesprungen. Aber gereizt hat es uns und es fehlt uns noch heute, dass wir diese Erfahrung nicht gemacht haben. Wie oft habe ich schon Kinder in Pfützen springen sehen – ohne Gummistiefel und patschnass danach – und wie oft habe ich gedacht, ja, Recht hast du? Sehr oft! Wie oft sitzen Väter im Sandkasten und baggern mit diesen wundervollen Baggern aus Edelstahl, auf die man drauf sitzen kann? So gibt es unzählige Beispiele aus unserem Leben, aus der Kindheit und es hört im Berufsleben nicht auf. Ständig müssen wir vernünftig sein und das tun, was von uns erwartet wird und das, was das System am Laufen hält.

Das eigene Hinterfragen der Maxime "Vernunft"

Es war auf einer Retreatreise mit David Wared auf Teneriffa als er von sich behauptet hatte, er sei noch nie vernünftig gewesen und ich war geschockt. Wie kann er so etwas sagen. Es gibt doch unzählige, gute Gründe, um vernünftig zu sein – dachte ich und vernünftige Entscheidungen sind logisch und schlüssig und rational und abgewogen und durchdacht. Was daran ist denn schlecht? Damals hatte er sich noch Zuhause am Knie verletzt (Bänderriss o.ä.) und humpelte mit einem Stock durch die Gegend, aber er sagte die Reise mit uns und für uns nicht ab. Vielmehr war er auf einen Berg voller Felsen und Geröll mit uns geklettert, um dort zu meditieren und Fotos zu machen. Der Weg nach unten war steil und das Terrain lose und instabil. Er nahm Anlauf und hüpfte auf einem Bein nach unten und natürlich musste er auch mit dem verletzten Bein zwischendurch auftreten und natürlich schmerzte es – was er sich nicht anmerken lies. Dennoch hat er es getan und wenn es „nur“ war, um danach den Satz sagen zu können „Ich war noch nie vernünftig“. Denn über diesen Satz habe ich sehr lange nachgedacht. Ich denke, es waren so 2 Jahre und dann war mir plötzlich klar, was er bedeutet. Immanuel Kant hat die Grenzen des Denkens und damit der Vernunft aufgezeigt und damit indirekt bewiesen, dass es mehr geben muss als Denken und Vernunft. Beides ist begrenzt, die Wirklichkeit jedoch ist ewig und damit unbegrenzt.

Zum Denken gehört auch das Fühlen. Erst wenn Denken und Fühlen zusammen gehen und eine Einheit bilden, kann wirkliche Wahrnehmung erfolgen. Neben den dualen, materiellen und physikalischen Sinnen wird dann die Wahrnehmung um den Herzenssinn erweitert.

Der Herzenssinn ist ein vollwertiger und gleichwertiger Sinn

Es hat wieder Jahre gedauert, bis ich diesen Satz aus Überzeugung sagen konnte und auch, dass ich den Herzenssinn als eigenständigen und vollwertigen Sinn neben den bekannten Sinnen annehmen konnte. Natürlich handelt David nicht vernünftig, denn er hat Denken und Fühlen integriert. Das schließt nicht aus, dass er Handlungen vornimmt, die für andere vernünftig erscheinen. Sie folgen aber immer auch einem höheren Sinn.

So können unsere Handlungen vernünftig und sinnvoll zugleich sein, wenn sie jedoch nur vernünftig sind, dann sind sie nicht sinnvoll. Dann dienen sie nicht unserer Entwicklung und unserer Selbsterkenntnis. Hinter all unseren Handlungen steckt ein Sinn und wenn dieser Sinn dem Sinn der Sinne folgt, dann sind sie ewig und rein und klar und Ausdruck der Wirklichkeit.

Das ist das ganze Geheimnis der Spiritualität, der Transzendenz und der Wirklichkeit. Wenn wir annehmen können, dass es mehr gibt als Materie und das Denken, dann sind wir der Wahrheit und der Wirklichkeit sehr viel näher gekommen.

Hinter der Welt der Materie ist die Welt der Energie

Wir leben in einer vernunftbetonten Welt, die alles über das Denken wahrnehmen und beweisen möchte. Ohne das Fühlen können wir aber nicht vollständig wahrnehmen und so auch nicht zur wahren Erkenntnis gelangen.

Fühlen ist das Erahnen einer höheren, unbegreiflichen Energie. Sie sprengt unsere Vorstellungskraft und liegt außerhalb unseres Denkens, dennoch existiert sie.

Das Tolle dabei ist, dass es keinem schadet und von niemandem irgendetwas möchte. Ist das nicht herrlich? Die Wirklichkeit und die Wahrheit sind interesselos und wunschfrei. Dennoch machen sie manchen Menschen Angst und das liegt daran, dass sie am bisherigen Weltbild rütteln und das könnte dazu führen, dass die Menschen sich ändern müssten bzw. sich ihre Umwelt verändert. Neue, unbekannte Dinge machen vielen Menschen Angst und so negieren sie die Spiritualität und die Ewigkeit. Sie existiert dennoch.

P.S. Dem Knie geht es übrigens wieder gut. Es ist nach meinem Dafürhalten weit überdurchschnittlich schnell geheilt (2-3 Wochen).